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Das Leben in der Siedlung um 1900 von Walter Schmidt | |||
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts versuchten die Zechen, die Kohleförderung zu steigern. Dazu benötigten sie eine feste Stammbelegschaft, die die Arbeit kannte und nicht ständig neu angelernt oder unterwiesen werden musste. Arbeitsverträge im heutigen Sinne gab es noch nicht und der Schichtlohn lag mit ca. 5,10 Mark für die 8-Sunden Schicht sehr niedrig. Deshalb wechselten die Arbeiter oft schon die Arbeitsstelle, wenn auf einem anderen Pütt 5 Pfennig mehr gezahlt wurde. Eine gleichmäßig hohe Förderleistung war für die Zeche unter diesen Voraussetzungen natürlich nicht zu erreichen. Da damals auch eine große Wohnungsnot herrschte, kam man seitens der Zeche auf die Idee, die Siedlung zu bauen. Durch die Vergabe von guten Wohnungen wollte man die Bergleute an die Zeche binden wer kündigte, musste auch die Wohnung innerhalb von 3 Tagen räumen. Man wollte so vor allem auch den zweiten und weiteren Söhnen von Bauern und Köttern, die den väterlichen Hof nicht erben konnten, eine Wohnung mit Garten bieten. Auch die in den Ostgebieten und Polen angeworbenen Bergleute mussten mit Wohnraum versorgt werden. Geboten wurde eine Haushälfte mit eigenem Eingang, 3 Zimmer, eine Waschküche, ein Stall und ein Abort. Der Abort war draußen hinter dem Stall. Ein Laubengang verhinderte, dass man auf dem Weg zum Abort nass wurde oder im Winter durch hohen Schnee laufen musste. Zu der Haushälfte gehörte ein Garten, den die Bergleute bebauen konnten, denn der Lohn auf dem Pütt reichte nicht für eine große Familie. Weil die Siedlung mitten im Feld gebaut wurde, konnten die Arbeiter in der Nähe weiteres Land zupachten, um ihre Familien zu ernähren. Zusätzlich zum Lohn bekam ein Bergmann Deputatkohlen, so war auch das Kochen und Heizen gesichert. Gekocht wurde auf dem Kohlenherd, der auch im Sommer ständig brannte. Alle Wege erledigte man grundsätzlich zu Fuß, der Besitz eines Fahrrades war schon die Ausnahme. Der Weg zur Arbeit war von der Siedlung aus nicht weit, man erreichte die Zeche Wiesche zu Fuß in ca. 15 Minuten. Die Kinder trugen in der Schule, die sich auf dem Priestershof befand, bessere Kleidung, die sie ausziehen mussten, wenn sie nach Hause kamen. Die meisten Kinder hatten nur ein Paar Schuhe, die nur sonntags oder zur Schule angezogen wurden. Zuhause trugen sie meistens Holzschuhe (Klotschen). Die Familien der Bergleute badeten nur samstags in einer Zinkwanne in der Waschküche. Dabei wurde nicht jedesmal komplett neues Wasser gemacht, sondern nur der Schmutz abgeschöpft und heißes Wasser aus dem Kessel auf dem Ofen nachgeschüttet. Die Männer duschten allerdings täglich nach der Arbeit auf der Zeche. Damals stellte man fest, dass Frauen von Bergleuten seltener Unterleibserkrankungen hatten als die übrige Bevölkerung. Man fand heraus, dass es daran lag, dass die Bergleute durch das tägliche Duschen viel reinlicher waren als der Rest der Bevölkerung. Am Anfang waren die Straßen und die Höfe der Siedlung nur geschottert bzw. mit Kesselasche gestreut. Um 1910 wurden zwar Bürgersteige mit Natursteinkanten angelegt, die Straße und auch der Gehweg blieben jedoch weiterhin geschottert. Viktor Kaplanowski, der 1912 in Haus Nr. 12 geboren wurde und mit mir noch untertage gearbeitet hat, erzählte mir, dass das immer ein fürchterlicher Dreck war. Im Winter 1899/1900 hatten die letzten Häuser immer noch keinen Wasseranschluss. Auf der Straße war eine Wasserleitung verlegt, zu der die Bewohner einen speziellen Schlüssel hatten, mit dem sie Wasser holen konnten. Wenn die Bergleute von der Schicht kamen, dann führte ihr Weg auch an der Fuente vorbei, einer Gaststätte aus der Postkutschenzeit. Der Name Fuente ist französischen Ursprungs und bedeutet Tränke. Hier wurden die Pferde gewechselt und die Fahrgäste legten eine Pause ein. Auch die Bergleute legten auf dem Weg nach Hause in der Fuente eine Pause ein und gönnten sich ein oder zwei Schnäpse.
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